Angesichts der unzähligen Bars auf der Welt: Was macht einen Klassiker aus? Sicherlich sollte der Eindruck, das Ambiente, eine reichhaltige Karte und nicht zuletzt der Barkeeper, also der echte Könner und Kenner hinter dem Tresen, im Mittelpunkt des Etablissements stehen. Zugleich sollte für die Persönlichkeiten der Gäste Raum lassen werden. Im Gegensatz zur Hotelbar – die natürlich auch ein Klassiker ist – darf das Interieur keinesfalls zu stromlinienförmig daherkommen. Irgendwie assoziiert man nicht nur Long Island oder Sex on the Beach, sondern auch Whisky und womöglich sogar Pfeifen- oder Zigarillo-Qualm – auch wenn es den so heutzutage bei Weitem nicht mehr überall gibt. Hier unterscheiden sich zwei Klassiker-Typen: Mal ist eine klassische Bar mehr großstädtisch, mal mehr tropisch bis südländisch. Wichtig bei beiden: Stil und Stimmigkeit. Das kann vieles bedeuten.
Aus meinen Erfahrungen als Bar-, Kneipen- und Restaurant-Kritiker in Deutschland könnte ich viele Anekdoten berichten. Es soll hier aber vor allem darum gehen, woran man welche Art Bar, Restaurant oder Kneipen-Restaurant erkennt. Und da stellt die klassische aber auch die Cocktail-Bar einiges klar. Zum Beispiel: Das Publikum trinkt kaum Bier. Man ist ja nicht in einer Kneipe. Man trinkt in der Regel auch keinen Wein. Schließlich ist nicht in einem Bistro. Getrunken werden also Cocktails und Longdrinks. Außerdem ist man auch nicht zum Essen da. Und: Man geht nicht in eine Bar, um zwingend Leute zu treffen, vielmehr bleibt man eher unter sich. Und damit ist ein weiterer wichtiger Punkt angesprochen: Das Mobiliar, das Raumgefühl, die Atmosphäre der klassischen Bar.
Bei einem Bar-Klassiker müssen wirklich keine Terrasse oder sogar ein Pool vorhanden sein, keine Raucher-Lounge und nicht einmal zwingend eine größere Garderobe. Aber es muss auf jeden Fall bequemes Mobiliar geben, vom Hocker vor der Theke bis hin zu Sitzgruppen und gegebenenfalls Stehtischen für die Kontaktfreudigeren und die später Eingetroffenen. Denn hier wird sich aufgehalten, ohne allzu viel Stress oder gar Selbstbedienungs-Atmosphäre aufkommen zu lassen. Vielleicht gibt es Leder, gutes Holz, ein wenig Verspiegelung. Denn das Publikum ist – neben den natürlich köstlichen Getränken – der Star, wenn es sich halbwegs zu benehmen weiß. Bei der klassischen Cocktail-Bar dürfen es auch einmal Bambus, Palme, urige Statuen sein – das muss es aber beileibe nicht.
Und damit zum irgendwie weltoffenen Charakter einer archetypischen Bar. Es geht eben nicht zwingend zu wie bei Tom Cruise in Cocktail, bei Humphrey Bogart in Casablanca oder wie im alten Wien oder Berlin. Meist haben wir amerikanische oder kontinental-europäische Klischees vor Augen, wenn wir an eine „gute alte Bar“ denken. Und davon findet sich manches auch in ihren japanischen oder afrikanischen Varianten. Heutzutage gilt gerade für Orte, an denen sich Stil, Geschmack und Weltoffenheit treffen: Wenn es zu altbacken ist, ist es nicht klassisch genug. Denn Klassiker wurzeln von der Vergangenheit, stehen fest in der Gegenwart und weisen immer in eine gepflegte Zukunft.