Sterne-Restaurants

Es gibt viele Gerüchte und Legenden darüber, wie ein Haus sich Sterne verdient, ob im Michelin oder in lokalen bis regionalen Gastronomie-Führern, für die auch ich lange Jahre gearbeitet habe. Es ist nun einmal diese geheimnisvolle Aura von Mysterium und Zauberkunst, die vieles vom Reiz eines Etablissements ausmacht. „Wie hat er das hinbekommen?“, ruft die Dame begeistert aus, und sie kann sowohl den Stern als auch das einmalige Soufflé meinen. Tja, wie hat er?

Nun, es ist schon eine Kunst. Ein tadelloser Service, eine formidable Location und ausschließlich köstliche Gerichte sollten hier Standard sein. Aber ein Haus mit Stern(en) braucht, fast wie ein Theater, auch so etwas wie eine stringente und kreative Intendanz. Der Betreiber muss also die Zeichen der Zeit deuten, aber auch seine Zielgruppe verstehen und zugleich überraschen. Änderungen im Programm müssen ebenso plausibel wie spektakulär sein, zumindest für die Eingeweihten – und regelmäßig vorkommen. Das Restaurant muss wegen seines Kernangebotes, also des Angebotes an Speisen, gesellschaftlich Thema sein. (Und nicht nur wegen der TV-Prominenz eines Kochs zum Beispiel.) Oft klagen deshalb die besten Betreiber wie das Personal fast ganz heimlich: Man würde ja gern auch noch dies oder das anbieten, aber das alte Publikum macht das nicht mit und das jüngere wird einfach nicht zu Stammgästen. So sehen Luxus-Probleme im Reich der Sterne aus.

Und nüchtern betrachtet? Die Unkosten aber oft auch die Anreise zu einem wirklich schönen Ort mit fantastischer Kulinarik lassen gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten den Besuch eines Sterne-Restaurants mehr denn je zur Seltenheit werden. Die Menschen entdecken die Nachbarschaft neu, lassen sich von immer wieder hervorsprießenden Newcomern im Umfeld gerne einmal hierhin, einmal dorthin locken, sind aber in der Regel nicht auch nur einmal im Monat im selben teuren Gourmet-Tempel anzutreffen. Es ist also nicht leicht für die Spitze, auch an der Spitze zu bleiben.

Insofern sollte man nachsichtig sein, wenn selbst hohe Häuser manchmal eine gewisse Nervosität ausstrahlen. Darunter aber finden sich in der Regel Qualitäten, die allen anderen Restaurants allzu oft abgehen: Seriosität, Souveränität, Eleganz und Komfort. Der Besuch eines Sterne-Restaurants ist wie eine Einladung auf ein Schloss. Nur sind die Kunden dann selbstverständlich selbst Königin und König. Als solche dürfen sie dann durchaus Fragen stellen, denn niemand erwartet, dass man sich wirklich auskennt bei all den Zutaten und Kombinationsmöglichkeiten. Es gibt keine Hektik – besonders wenn man reserviert hat. Der Service schaut, ob und wann er nachfragen sollte, und das aus angenehmer Distanz. Außer in manchen ländlichen Gegenden hält sich der Chef zurück, manchmal kommt aber der Koch und fragt persönlich, wie es mundet. „Habe ich so etwas Besonderes bestellt?“ fragt sich der Gast dann. Und da sind sie dann wieder: Dieser Zauber, diese Exklusivität. Auch dafür gibt es Sterne.